Nachhaltige Entwicklung – eine sinnvolle Aufgabe für Unternehmen?

Die Forderung, dass private Unternehmen auf freiwilliger Basis ihre Unternehmensziele an die Erfordernisse einer „nachhaltigen Entwicklung“ anpassen sollen, findet derzeit weite Verbreitung. In dem von Beschorner und Hadjuk hier besprochenen Positionspapier des Schweizer Bundesrates zur „gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen“ wird diese Forderung ebenso erhoben, wie in den diesbezüglichen „Erwartungen“ der deutschen Bundesregierung, die im „Deutschen Nachhaltigkeitskodex“ ihren Niederschlag gefunden haben. Dieser Beitrag diskutiert zum einen, ob es tatsächlich eine allgemeinverbindliche normative Verpflichtung für „nachhaltige Entwicklung“ geben kann, und zum anderen ob Unternehmen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen in der Lage sind, auf freiwilliger Basis auch zu Lasten ihres Gewinnziels einen Beitrag zu „nachhaltiger Entwicklung“ zu leisten. Er fasst dabei im Wesentlichen Ergebnisse eines Artikels zusammen, der in der „Zeitschrift für Marktwirtschaft und Ethik“ kürzlich erschienen ist.

1. Kann es eine allgemeinverbindliche Verantwortung  für  „nachhaltige  Entwicklung“ geben?

Die wohl bekannteste Definition geht auf den sogenannten Brundtland-Bericht von 1987 zurück: „Nachhaltige Entwicklung befriedigt die Bedürfnisse gegenwärtiger Generationen ohne Beeinträchtigung der Fähigkeit zukünftiger Generationen ihre Bedürfnisse zu befriedigen.” Offen bleiben bei dieser Definition vor allem drei Fragen: (1) Was man unter „Bedürfnisbefriedigung einer Generation“ verstehen möchte; (2) welche Lebewesen man zu einer „Generation“ zählen möchte; (3) in welcher Weise die Bedürfnisbefriedigung einer Generation sich auf die zukünftiger Generationen auswirkt. Zur Beantwortung von Frage (1) und (2) sind normative Werturteile notwendig; die Beantwortung von Frage (3) erfordert ein ökonomisch-technologisches – also ein empirisches – Werturteil. Man kann die verschiedenen Konzeptionen von „nachhaltiger Entwicklung“, die sich in der Literatur finden, anhand der unterschiedlichen Antworten auf diese drei Fragen unterscheiden. Tabelle 1 gibt einen Überblick (Literaturverzeichnis hier). Die Nomenklatur folgt dabei im Wesentlichen Turner (1993):

Tabelle 1 – Eine Auswahl verschiedener Nachhaltigkeitskonzeptionen

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Starken Einfluss auf die Debatte hatte die schon früh von Robert Solow in seiner Auseinandersetzung mit dem ersten Club of Rome Report (1972) entwickelte Position, die heute als „Sehr Schwache Nachhaltigkeit“ bezeichnet wird. Statt der „Bedürfnisbefriedigung einer Generation“ stellt Solow auf den leichter messbaren „Konsum einer Generation“ ab und schlägt das normative Werturteil vor, dass „die gegenwärtige Generation berechtigt ist, soviel an Ressourcen zu konsumieren, wie sie möchte, vorausgesetzt sie lässt genügend Ressourcen für zukünftige Generationen zurück, so dass diese mindestens das gleiche Konsumniveau halten können“ (Solow (1984)). Zu den Mitgliedern einer „Generation“ zählt Solow dabei nur die menschliche Spezies. Diese Position wird als „anthropozentrische Nachhaltigkeit“ bezeichnet. Die Frage, in welcher Weise sich der Konsum einer Generation auf den Konsum zukünftiger Generationen auswirkt, beantwortet Solow mit dem recht optimistisch anmutenden empirischen Werturteil, dass es langfristig möglich sein wird, alle erschöpfbaren Ressourcen in irgendeiner Form durch nicht erschöpfbare Ressourcen zu substituieren.

Im Verlauf der Debatte wurden seitdem viele von der Solow’schen Position abweichende Nachhaltigkeitskonzeptionen vorgeschlagen. Hinsichtlich des normativen Werturteils kann man dabei vor allem zwischen anthropozentrischen und nicht-anthropozentrischen Positionen unterscheiden. Anthropozentrische Positionen unterscheiden sich in normativer Hinsicht vor allem hinsichtlich der Bewertung der Interessen gegenwärtiger Generationen gegenüber den Interessen zukünftiger Generationen. Während gemäß der Solow’schen Position zukünftigen Generationen mindestens das gleiche Konsumniveau wie gegenwärtigen Generationen zugestanden wird, kann man natürlich auch gute Gründe dafür finden, dass zukünftigen Generationen mehr oder weniger zugestanden werden sollte: Eltern möchten für gewöhnlich, dass es ihren Kindern „einmal besser geht“. Sie würden also eine reine Zeitpräferenzrate kleiner Null für ihre Nachkommen ansetzen. Der Mitbegründer der ökonomischen Wachstumstheorie Frank Ramsey (1928) stufte eine Zeitpräferenzrate größer Null als „ethisch nicht haltbar“ ein, weil dadurch der Nutzen zukünftiger Generationen geringer gewichtet wird als der Nutzen gegenwärtiger Generationen. Dieser Standpunkt ist nicht unwidersprochen geblieben. Man kann zwar auf individueller Ebene argumentieren, dass es bei Abwesenheit von Unsicherheit über die zukünftige Nutzenstiftung des Konsums eigentlich keinen Unterschied machen sollte, ob die Nutzenstiftung zum Zeitpunkt t oder t+n stattfindet. Golding (1972) verweist allerdings darauf, dass sich diese Überlegung nicht notwendigerweise auf fremde, in der Zukunft lebende Menschen übertragen lässt, weil diese möglicherweise nicht unsere Vorstellung von einem „guten Leben“ teilen, so dass wir sie nicht zu unserer moralischen Bezugsgruppe zählen müssen und folglich keine Verpflichtungen ihnen gegenüber haben.  Kavka (1978) widerspricht wiederum Golding (1972) mit der Einschätzung, dass es keine unterschiedlichen „Grade der Mitgliedschaft“ der moralischen Bezugsgruppe der Menschen gibt, auch nicht bei divergierenden Vorstellungen von einem „guten Leben“. Roemer (2011) argumentiert auf Basis eines „Symmetrie Axioms“, wonach eine Wohlfahrtsfunktion immer zum gleichen Ergebnis führen soll, unabhängig davon, welche Generation eine bestimmte Menge von Gütern konsumiert. Auch eine axiomatische Analyse des Problems hat bislang nicht zu eindeutigen Ergebnissen geführt wie etwa die Arbeiten von Koopmans (1960), Dasgupta/Heal (1979) , Cowen (1992) und Blackorby et al. (1995) zeigen. Die mikroökonomische Standardtheorie geht davon aus, dass Menschen individuell verschiedene subjektive Präferenzen haben. Demnach gibt es also keine „falschen“ oder „richtigen“ Werte für Präferenzparameter, sondern eben nur „subjektive“. Wie das hier schon einmal angesprochene „Begründungstrilemma der Ethik“ zeigt, lassen sich derartige normative Fragen in der Tat nicht allgemeinverbindlich beantworten.

Da Parameter wie die Zeitpräferenzrate oder die relative Risikoaversion auf einer kontinuierlichen Skala abgebildet werden, können sie unendlich viele unterschiedliche Werte annehmen – die dann noch einmal mit einander kombiniert werden können. Es gibt also allein innerhalb anthropozentrischer Standpunkte bereits unendlich viele unterschiedliche Nachhaltigkeitskonzeptionen.

Gute Gründe lassen sich sicherlich aber auch für nicht-anthropozentrische normative Standpunkte geltend machen: A priori gibt es keinen zwingenden Grund, das Überleben einer bestimmten biologischen Spezies über das Überleben anderer Spezies zu setzen. Wer diese Überlegung zum Ausgangspunkt seiner Konzeption einer nachhaltigen Entwicklung macht, kann deshalb für den Erhalt natürlicher Ökosysteme plädieren, unabhängig davon, ob dies die Überlebenswahrscheinlichkeit der menschlichen Spezies erhöht oder senkt. Vertreter der sogenannten „Deep Ecology Movement“ (Tabelle 1) gehen dabei sehr weit und fordern nicht nur wirtschaftspolitische Programme zur Beendigung des Wirtschaftswachstums, sondern auch mehr oder weniger rigide Eingriffe in die individuelle Familienplanung zum Stopp des Wachstums der Weltbevölkerung. Natürlich lassen sich auch weniger radikale nicht-anthropozentrische Positionen formulieren: Durch Naturreservate kann ein Teil der bestehenden Ökosysteme dem menschlichen Zugriff entzogen werden. Durch die Größe der Naturreservate lässt sich wiederum auf einer kontinuierlichen Skala ein Übergang von einer rein anthropozentrischen Position (Anteil der Naturreservate an der derzeit noch nicht genutzten Fläche = 0%) bis hin zur Position der „Deep Ecology Movement“ (Anteil der Naturreservate an der derzeit noch nicht genutzten Fläche = 100%) abbilden. Letztendlich gibt es also auch hier wieder unendlich viele Zwischenpositionen, deren „Richtigkeit“ oder „Falschheit“ nicht wissenschaftlich bewiesen werden kann.

Prinzipiell lassen sich die verschiedenen normativen Werturteile, die einer Nachhaltigkeitskonzeption zugrunde liegen können, noch einmal mit verschiedenen empirischen Werturteilen zu der Frage, in welcher Weise sich der Konsum einer Generation auf den Konsum zukünftiger Generationen auswirkt, kombinieren. Im Zentrum steht dabei die Frage, inwieweit erschöpfbare Ressourcen substituierbar sind bzw. es in der Zukunft sein werden. Der Solow’sche „Substitutionsoptimismus“ erscheint dabei auf den ersten Blick unrealistisch und wird häufig belächelt. Es lässt sich aber kaum bestreiten, dass für die Energiegewinnung aus fossilen Energieträgern, die derzeit sicherlich die größten ökologischen Probleme verursacht, aus technologischer Sicht bereits zahlreiche perfekte Substitute existieren. Das Problem ist „lediglich“ ökonomischer Natur: Die privaten Produktionskosten für die Herstellung von Energie aus fossilen Energieträgern sind derzeit noch immer niedriger als die privaten Produktionskosten von Energie aus erneuerbaren Energieträgern. Durch eine steuerliche Internalisierung der externen Kosten fossiler Energiegewinnung könnte dies geändert werden – wenn man bereit wäre einen höheren Preis für Energie und dessen Folgewirkungen zu akzeptieren. Im Hinblick auf fossile Energieträger ist der Solow’sche Substitutionsoptimismus also bemerkenswerterweise gerechtfertigt. Bei anderen Ressourcen kann dieser Optimismus jedoch mit guten Gründen in Frage gestellt werden. Zwar würden sich bei einer – technologisch durchaus möglichen – erheblichen Verbilligung erneuerbarer Energien auch ganz neue Recycling-Potentiale für erschöpfbare Metalle und Mineralien ergeben, der derzeitige Verbrauch fragiler Ökosysteme lässt sich dagegen wohl nur schwer wieder rückgängig machen. Wie groß die Recycling-Potentiale bei erschöpfbaren Ressourcen und Ökosystemen in Zukunft sein werden, ist aber letztlich eine empirische Frage, die sich aus heutiger Sicht nicht mit Sicherheit beantworten lässt. Hier ist also letztendlich ein empirisches Werturteil notwendig.

Es zeigt sich also, dass es eine unendlich große Vielfalt höchst unterschiedlicher Nachhaltigkeitskonzeptionen gibt. Man kann sicherlich sagen, dass „nachhaltige Entwicklung“ ein noch komplexerer Begriff ist als „Gerechtigkeit“, weil „nachhaltige Entwicklung“ nicht nur normative Zielsetzungen enthält, sondern immer auch eine empirische Einschätzung über den Grad der Substituierbarkeit erschöpfbarer Ressourcen. Eine allgemeinverbindliche Definition von „nachhaltiger Entwicklung“ kann es folglich noch weniger geben als eine allgemeinverbindliche Definition von „Gerechtigkeit“.

In einer pluralistisch verfassten Gesellschaft haben die Bürger das Recht, ihre eigenen Definitionen dieser normativen Begriffe zu vertreten. Sie dürfen die Partei wählen, die ihrer Konzeption am nächsten kommt und in den Parlamenten werden dann bei politischen Entscheidungen die das Problem einer nachhaltigen Entwicklung betreffen, mehrheitsfähige Kompromisse gesucht. Eine staatlich verordnete Definition von „nachhaltiger Entwicklung“ kann es also genau so wenig geben, wie eine staatlich verordnete Definition von „Gerechtigkeit“.

2. Können Unternehmen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zu Lasten Ihres Gewinnziels einen Beitrag zu „nachhaltiger Entwicklung“ leisten?

Neben der Frage, ob es eine normativ verbindliche Konzeption „nachhaltiger Entwicklung“ geben kann, stellt sich natürlich auch die Frage, ob unter marktwirtschaftlichen Bedingungen erwartet werden kann, dass private Unternehmen auf „freiwilliger Basis“, also auf dem Wege der „Selbstregulierung“, effektive Beiträge für eine wie auch immer definierte Konzeption von „nachhaltiger Entwicklung“ leisten können?

Unterstellt man beispielsweise, dass im Rahmen einer Konzeption von „nachhaltiger Entwicklung“ der Verbrauch einer erschöpfbaren Ressource unter das Niveau reduziert werden soll, das sich auf der Basis von Marktpreisen ergibt, so müsste ein Unternehmen die Einsatzmengen dieser Ressource unter die gewinnmaximalen Einsatzmengen reduzieren. Legt man die auf rationalem Eigennutzverhalten beruhenden Annahmen des ökonomischen Standardmodells, die Homo oeconomicus Hypothese also, zugrunde, kann also nicht erwartet werden, dass Unternehmen sich tatsächlich so verhalten.

Auch empirische Ergebnisse neuerer verhaltenstheoretischer Laborexperimente deuten nicht darauf hin, dass es auf freiwilliger Basis zu einer ausreichenden Versorgung mit öffentlichen Gütern kommt: So resultiert beim „Public Goods Spiels“ zwar in der Regel eine höhere Versorgung mit öffentlichen Gütern, als es bei rationalem Eigennutzverhalten (in einem Nash Gleichgewicht) der Fall wäre. Die Versorgung mit öffentlichen Gütern ist aber im Durchschnitt immer deutlich niedriger als es wohlfahrtstheoretisch optimal wäre. Zudem zeigen Mehrperiodenversionen des Spiels , dass die Bereitsschaft der Teilnehmer, freiwillige Beiträge zur Finanzierung eines öffentlichen Gutes zu leisten, im Zeitverlauf regelmäßig erodiert (Levitt und List (2007)). Sind Kosten und Nutzen des öffentlichen Gutes, wie im Falle der Einsparung von Ressourcen durch Unternehmen wahrscheinlich, asymmetrisch unter den Spielern verteilt, geht die Bereitschaft einen freiwilligen Beitrag zu leisten noch weiter zurück (McGinty et al (2012)). Es kann aber auch bezweifelt werden, ob bei der Einsparung erschöpfbarer Ressourcen aus Sicht der Eigentümer eines Unternehmens überhaupt eine Gefangenendilemmastruktur wie im „Public Goods Spiel“ vorliegt: Es ist alles andere als sicher, ob dem Gewinnrückgang, der z.B. bei einer Reduzierung  von Treibhausgas-Emissionen resultiert, aus Sicht der Eigentümer eines Unternehmens – selbst bei vollkommener Kooperation aller anderen Unternehmen – überhaupt ein Kooperationsgewinn resultiert, der größer wäre als der Gewinnrückgang aufgrund der Ressourceneinsparung.

Zu diesen Anreizproblemen kommt noch ein Informationsproblem: So sind die externen gesellschaftlichen Kosten der Übernutzung einer Ressource keine allgemein bekannte, den Unternehmen zugängliche Information. Da in der Regel keine Marktdaten vorliegen, müssen sie auf Basis einer gesellschaftlichen Bewertung der Schäden, die durch die Übernutzung entstehen, festgelegt werden. In demokratisch verfassten Rechtsstaaten fällt diese Aufgabe den Parlamenten zu. Es ist wenig wahrscheinlich, dass Unternehmen das Ergebnis solcher Entscheidungsprozesse antizipieren können.

Aber selbst wenn man unterstellt, dass das Management eines Unternehmen bereit ist, zugunsten eines „Nachhaltigkeitsengagements“ auf Gewinn zu verzichten, bedeutet dies nicht, dass diese Unternehmenspolitik dauerhaft praktikabel wäre. Finanziert sich das Unternehmen beispielsweise über den Aktienmarkt, würde bei einer solchen Politik der tatsächliche Marktpreis des Unternehmens unter den potentiellen Marktpreis fallen, weil der tatsächliche Gewinn des Unternehmens kleiner wäre als der potentielle Gewinn. Auf Dauer würde es also zu einer feindlichen Übernahme des Unternehmens kommen, bei der am Ende das nachhaltigkeitsorientierte Management gegen ein gewinnorientiertes Management ausgetauscht würde. Wie hier ausführlicher erläutert, sprechen eine Reihe empirischer Beobachtungen dafür, dass ein solcher Übernahme-Mechanismus in der Praxis tatsächlich existiert.

Eine anderes Problem tritt unabhängig von der Finanzierungsform des Unternehmen auf: Wenn das Management eines Unternehmens nicht mehr primär den Interessen der Eigentümer verpflichtet ist, sondern auch alternative Ziele verfolgen darf („Multi-Stakeholder Ansatz“), kann es sich der Kontrolle der Eigentümer entziehen. Die bekannte Prinzipal-Agent Problematik zwischen Eigentümern und Management verschärft sich dadurch: Mit dem Verweis auf seine „Nachhaltigkeitsverpflichtungen“ kann sich das Management den Interessen seiner Kapitalgeber entziehen und umgekehrt. Das Management wird so zum Diener „multipler Herren“, die es prinzipiell gegeneinander ausspielen kann – um dann am Ende eigenen Interessen nachzugehen. Es existiert, mit anderen Worten, keine wohldefinierte Zielfunktion für das Management und es entstehen Spielräume für Korruption (Jensen (2001)). Vor dem Hintergrund der Fülle empirischer Erfahrungen, wäre es naiv, solche Probleme kleinzureden (vgl. etwa Karmann (2016)).

3. Unternehmerische Verantwortung für nachhaltige Entwicklung – cui bono?

Es spricht insgesamt also einiges dafür, dass Unternehmen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen keine “Nachhaltigkeitsleistungen” im Sinne einer echten Corporate Social Responsibility – unter Inkaufnahme von Gewinneinbußen also – erbringen können. Regierungen, die dies trotzdem fordern, müssen sich einerseits fragen lassen, wie verantwortlich es sein kann, an den Unternehmenssektor Forderungen zu stellen, die in der Praxis nicht erfüllt werden können. Anderseits müssen sich diese Regierungen fragen lassen, warum sie die offensichtlich gewünschten Ziele in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung nicht durch eine entsprechende gesetzliche Rahmensetzung für alle Unternehmen verbindlich vorgeben, so dass die beschriebenen Anreizprobleme vermieden würden? Warum also erhöht die Regierung also beispielsweise nicht die Verbrauchssteuern für fossile Energieträger bzw. für die Freisetzung von Treibhausgasen? Natürlich müsste die Regierung dann auch die politische Verantwortung für die unerwünschten Nebenwirkungen, die solche Steuererhöhungen mit sich bringen, übernehmen. Es drängt sich deshalb der Verdacht auf, dass rhetorische Appelle an die “gesellschaftliche Verantwortung” der Unternehmen aus Sicht einer Regierung vorteilhafter sind:  Zum einen kann man damit eine politische Position besetzen, die in bestimmten Wählerkreisen populär ist. Zum anderen vermeidet man damit den Wählerunmut, der resultiert, wenn aufgrund unerwünschter Nebenwirkungen einer „nachhaltigen Wirtschaftspolitik“ Realeinkommen sinken.

Man muss kein Anhänger einer besonders weitgehenden Konzeption von nachhaltiger Entwicklung sein, um die die bisherigen Erfolge der deutschen Regierung in diesem Bereich der Wirtschaftspolitik als recht bescheiden einzustufen. So kann man die bisherige Wirkung des Europäischen Emissionshandelssystem durchaus als ebenso fragwürdig betrachten (WWF-Studie (2014), Schneider und Kollmus (2015), CEPS (2015)) wie die Wirkung des Biokraftstoffquotengesetz. Ersteres hat bislang nicht die beabsichtigte Reduktion von Treibhausgasen erbracht und Letzteres hat bislang nicht nur zu einer erhöhten Freisetzung von Treibhausgasen sondern auch zu einer ökologisch schädlichen Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzfläche geführt. Die regelmäßig wiederkehrenden Regenwaldbrände in Indonesien stehen in direktem Zusammenhang mit den Nachfragewirkungen des Biokraftstoffquotengesetzes. Umweltschutzverbände weisen schon seit Jahren auf diesen Zusammenhang hin (Greenpeace (2008), BUND (2015)). Die Deutsche Bundesregierung hätte bei den Verhandlungen über die Regelungen für die Beimischung von Biokraftstoffen zwischen EU-Rat und EU-Parlament im Frühjahr 2015 ihren Einfluss im EU-Rat zugunsten stärkeren Beschränkung von Biokraftstoffen der 1. Generation geltend machen können (EU-Parlament (2015)). Offensichtlich ist dies aber aus Rücksicht auf die Interessen der deutschen Agrarindustrie nicht erfolgt. Stattdessen wurde von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt der Verein „Forum Nachhaltiges Palmöl“ gegründet, dessen Mitglieder sich verpflichten nur „zertifiziertes“ Palmöl zu kaufen. Minister Schmidt teilt diesbezüglich mit: „Ich erwarte, dass die Wirtschaft die Einfuhr von nicht zertifiziertem Palmöl stoppt.“ Die vom „Forum Nachaltiges Palmöl“ akzeptierten Zertifizierungssysteme sind allerdings höchst umstritten, da einige den Anbau auf Regenwald-Torfböden und auf durch Brandrodung entstandenen Anbauflächen nicht verbieten.

Natürlich könnte die Bundesregierung die für wünschenswert gehalten Auflagen mit der sie stützenden Parlamentsmehrheit auch in ein entsprechendes Gesetz gießen. Dann aber wären sie verbindlich für die Industrie und die Regierung müsste die politische Verantwortung für die ökonomischen Folgewirkungen übernehmen. Öffentlichkeitswirksame Appelle an die private Wirtschaft mögen da für eine Regierung unproblematischer sein. Ob sie aber auf Dauer tatsächlich Ersatz für eine glaubwürdige und für den Wähler transparente Konzeption von nachhaltiger Entwicklung sein können, darf bezweifelt werden.

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